Samstag, 26. Mai 2018
Autor sucht das Weite
8. September 2008
Aktuelle Einträge: https://schreibmanskultbuch.blogger.de/

Nichttrinker, so würde der Text meiner Kleinanzeige anfangen. Hört sich doch schon mal gut an, oder? Da weiss die Leserin doch gleich, dass sie es hier mit einem seriösen Herrn zu tun hat. Sie wird zwar zuerst mal befürchten, dass ich ein Langweiler bin, aber trotzdem neugierig werden. Und mässiger Raucher ginge es dann weiter. Wusste sie doch, dass die Sache einen Haken hat, aber okay, würde sie denken, das kann man ihm ja noch abgewöhnen, 56, sucht kleine Einzimmerwohnung oder Untermiete bei Witwe.

Na, wie klingt das? Mit Witwe ist natürlich reiche, alleinstehende Witwe mit grosser Villa gemeint, aber das kann man ja so nicht schreiben. Sie wird es schon verstehen. Frauen sind da gar nicht so undumm und können oft mehr zwischen den Zeilen lesen als einem lieb ist.

Also ich hab' ja schon die dollsten Sachen gelesen. Nicht zwischen den Zeilen, von Frauen. Die hatten doch tatsächlich alle eine grosse Oberweite, konnten kochen und gärtnern und waren häuslich und anschmiegsam. Irgendwas muss ihnen gefehlt haben. Vielleicht nur der Verstand?

Neulich – ich lese ja neuerdings des öfteren diese Rubriken, also Verloren/Gefunden und so weiter – schrieb eine Arme katholische Rentnerin sucht Mann zum Heiraten. Naja, dachte ich, arm und katholisch bin ich selber, muss ich dann auch noch eine Rentnerin heiraten? Es hätte mich ja echt interessiert, wieviel katholische Heiratsanträge die Dame bekommen hat. Nein, ich will mich keineswegs lustig machen.

Das mache ich überhaupt nie. Vor allem nicht über Leute, denen es nicht so gut geht wie mir. Ich bin lustig, aber ich mache es mich nicht. Klingt jetzt ein bisschen holprig, ich weiss, ist aber genau so gemeint. Ich bin katholisch, lustig, war schon verheiratet und jetzt habe ich meine Ruhe. Was will ich mehr?

Gut wäre, wenn die Dame nur einen mittleren Balkon, dafür einen umso grösseren Garten hätte, eher so eine Art Park. Weite, nicht Oberweite. Sie sollte mich möglichst viel in Ruhe lassen und sich jedesmal riesig freuen, wenn ich ihre Einladung ins Restaurant annehme. Denn die Zeit dafür würde ich mir immer nehmen. Man muss sich schliesslich erkenntlich zeigen.

... comment