Freitag, 27. April 2018
Gespräch beim Spargelkauf
13. Juni 2012
Aktuelle Einträge: https://schreibmanskultbuch.blogger.de/


Heute wollte ich mal wieder einen Passanten in der Fussgängerzone ansprechen.

"Entschuldigen Sie, darf ich Sie mal was fragen?"

"Worum geht's?"

"Das weiss ich selber nicht. Ich würde gerne von Ihnen wissen, ob das hier jetzt schon Ihr richtiges Leben ist."

"Wie meinen Sie das denn? Das ist ja eine komische Frage."

"Naja, sind Sie jetzt hier, weil Sie genau jetzt hier sein wollen? Oder kommen Sie nur notgedrungen gerade hier vorbei und wären jetzt eigentlich lieber ganz woanders?"

"Naja, wie man's nimmt."

"Eben, das würde mich interessieren. Wie Sie das Leben nehmen. Sind Sie heute so angezogen wie Sie grundsätzlich angezogen sein möchten? Ist das Ihr optimales Outfit?"

"Diese Frage habe ich mir noch nicht gestellt, ehrlich gesagt."

"Haben Sie heute optimal gefrühstückt? Gefällt Ihnen diese Fussgängerzone? Oder denken Sie dauernd, dass eigentlich alles noch viel besser werden muss, um optimal zu sein?"

"Was ist schon optimal? Natürlich könnte vieles besser sein."

"Ich meine jetzt besonders Ihre aktuelle Lebenssituation. Fühlen Sie sich irgendwo angekommen und zufrieden? Oder sind Sie eigentlich immer nur unterwegs und ständig auf der Suche?"

"Ja gut, irgendwie ist man doch immer unterwegs, oder?"

"Ich weiss es nicht. Wohin denn?"

"Also ich will jetzt zum Beispiel zu dem Stand dort drüben und Spargel kaufen."

"Der steht ja nur im Juni hier in der Stadt, weil es gerade Spargel, Erdbeeren und Kirschen gibt. Danach wird er dann wieder abgebaut und wir müssen alles wieder wie üblich im Supermarkt kaufen. Das hier sind doch nur vorübergehende Notlösungen."

"Die Welt besteht aus solchen."

"Ist das Leben, das Sie führen und das Sie jetzt in diesem Moment hierher geführt hat, auch nur so eine Notlösung?"

"Wieso?"

"Naja, das frage ich Sie. Oder ist es vielmehr so, dass Sie eigentlich immer schon ganz andere Sachen machen wollten in Ihrem Leben?"

"Ja, auch. Aber nicht nur."

"Sehen Sie, das meine ich. Wie werden Sie denn damit fertig, dass alles immer ganz anders kommt als man es sich vorgestellt hat? Dass man sich ständig an veränderte Umstände anpassen muss und praktisch nie sein Ding so durchziehen kann wie man es ursprünglich mal geplant hatte."

"Tja, das ist halt der Lauf des Lebens. Aber jetzt müssen Sie mich bitte entschuldigen. Ich bin schon etwas spät dran. Muss noch Spargel kaufen, meine Frau wartet drauf."

"Das hätten Sie doch gleich sagen können, dass Sie erwartet werden. Dann hätte ich Sie nicht aufgehalten. Jetzt habe ich Ihren ganzen Zeitplan durcheinandergebracht."

"Passt schon. Also, auf Wiedersehen! Und einen schönen Tag noch!"

"Danke. Ach, da drüben sehe ich einen Nachbarn von mir. Also, auf Wiedersehen! Hallo Herr Nachbar, wie geht es Ihnen?"

... link (1 Kommentar)   ... comment