Dienstag, 27. März 2018
Abteilung Wort
11. Januar 2010
Aktuelle Einträge: https://schreibmanskultbuch.blogger.de/

WDR_-_Funkhaus_Wallrafplatz_-_Eingang
Foto: © Raimond Spekking / CC-BY-SA-3.0 (via Wikimedia Commons)

Als wir das Gebäude zusammen mit Georg Bossert betraten, der uns schon vor der Tür vom Funkhaus am Wallrafplatz erwartete, beeindruckte mich als erstes der Paternoster-Aufzug. Wir waren alle ein bisschen aufgeregt, weil wir für die Teilnahme an einer Kinderfunk-Sendung ausgewählt waren und nicht wussten, was uns hier beim WDR erwartete.

Es war nicht nur Georg Bossert, der Entdecker von Desirée Nosbusch und Anke Engelke, sondern auch noch eine nette Dame, deren Namen ich leider vergessen habe, die dann mit uns ihre Spässe trieben.

Wir machten eine echt lustige Sendung. Ich hatte sogar ein Solo, das heisst, ich durfte einen längeren Satz allein aufsagen. Danach gab es dann Eis für uns alle in der Kantine und anschliessend bin ich noch heimlich und allein mit dem Paternoster gefahren.

Später, als Student in Köln, hatte ich richtige Jobs beim Westdeutschen Rundfunk. Einmal war ich Kabelträger, was dann später Kabelhilfe hiess, in Bonn. Ich stand neben einer Kamera im Wahlstudio, wo der Rudolf Rohlinger eine Tasse Kaffee auf dem Schreibtisch stehen hatte, und immer, wenn er gerade nicht auf Sendung war, weiter nach unten zu seinem Bierglas griff.

Die Kamera hat sich während der ganzen Sendung nicht ein einziges Mal bewegt. Ich musste das Kabel nur vorsichtshalber in der Hand halten. Entweder, damit ich es dem Kameramann nachtragen konnte, falls er sein Gerät aus irgendeinem dramaturgisch relevanten Grund doch einmal ein paar Zentimeter verschoben hätte, oder damit ich mich dran festhalten konnte, um nicht im Stehen einzuschlafen, oder einfach, damit es nicht runterfällt.

Dann war ich auch mal in der Abteilung "Der 7. Sinn" tätig. Keine Ahnung, was ich da gemacht habe, aber sehr wichtig kann es nicht gewesen sein. Ich wäre ja gerne mal mit einer der Schrottkisten, die immer ein Nummernschild mit K-WR hatten, so ein bisschen auf glatter Fahrbahn rumgeschlittert, damit der Hoegen aus dem Off mit seiner markanten Stimme hätte sagen können: "Machen Sie nie eine Vollbremsung auf eisglatter Strasse." Damals gab's ja noch kein ABS und man musste den Leuten überhaupt alles erklären.

Im Vierscheibenhaus (VSH), ja, so hiess das. Wahrscheinlich heisst es noch heute so. Glaube kaum, dass die eine fünfte Scheibe angebaut haben. Da war auch gleich die Kantine daneben, die hätten sie dann ja abreissen müssen. Und welche Sendeanstalt reisst schon ihre eigene Kantine ab? Die wären ja schön blöd. Also in der Kantine gab's dann immer ganz gutes und billiges Essen, das weiss ich noch. Was für eine wichtige Tätigkeit ich dort hatte, weiss ich allerdings nicht mehr. Oder doch, ich hatte Blick auf den Appellhofplatz, war also in der ersten oder vierten Scheibe, je nachdem, wo sie mit dem Zählen angefangen haben, und da war so ein Geschäft, wo ich meinem Vorgesetzten im Kopierraum, genau, ich arbeitete im Kopierraum, also wo ich ihm so gegen vier, eine Stunde vor Feierabend, zwei Flaschen Bier holen musste.

Am meisten beeindruckt hat mich ein Schild, das ich in einem anderen WDR-Gebäude sah, in das ich mal geschickt wurde, um irgendwas zu holen oder zu bringen. Auf diesem stand: "Abteilung Wort". Also das hat mich fast umgehauen. Dass die eine ganze Abteilung für ein Wort hatten. Leider musste ich in eine andere Abteilung.

So habe ich nie erfahren, um welches Wort es sich handelte.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Sonntag, 25. März 2018
Im Kloster
05. Juni 2007
Aktuelle Einträge: https://schreibmanskultbuch.blogger.de/

"Ich möchte gerne mal mit einem Priester sprechen", sagte der Mann, dem seine innere Not ins Gesicht geschrieben stand, zwischen Tür und Angel, den Gastpater nach der ersten Abendhore, den Psalmengesängen zur Vesperzeit, abfangend. Es war der Abend vor dem Dreifaltigkeitssonntag.

Der Ratsuchende hatte offensichtlich keinen Termin, musste unter den sechs oder acht Besuchern im Kirchenschiff gesessen haben. Wir verliessen die Kirche durch den Seiteneingang, der zum Clausur-Flügel des Klosters führte, in dem sich mein Zimmer befand.

Ich trat einige Schritte zur Seite und hörte den Pater sagen, er habe gerade einen neuen Gast. Das war ich. Ob er, der offensichtlich in seelischen Nöten Befindliche, noch einen Moment Geduld habe. Dann kam Pater Anselm wieder auf mich zu. Ob er mich nachher treffen könne, um mich einzuweisen. "Ich habe Zeit", sagte ich ihm, "ich werde in meinem Zimmer auf Sie warten oder auf dem Balkon am Ende des Ganges, auf dem man rauchen darf."

Ich hätte gerne gewusst, warum der arme Mann unbedingt einen Priester sprechen wollte. Vielleicht hatte er was verbrochen oder Ärger mit seiner Frau. Den Gastpater muss er sich während der Andacht ausgeguckt und dann beschlossen haben, diesen und keinen anderen anzusprechen, weder den Abt noch irgendeinen der jüngeren Mönche.

Mein Zimmer war Nummer 2. Die 1 hatte Matthias, ein junger Bankmann aus Frankfurt. Wir waren die einzigen Gäste. Er war schon ein paar Tage hier und erklärte mir solche Dinge wie zum Beispiel, dass man beim Essen erst Nachschlag nimmt, wenn der Gastpater es anbietet.

Das wenige, das ich esse, esse ich normalerweise langsam. Hier musste ich mich ganz schön beeilen. Nach bestimmter Zeit wurde abgeräumt. Pech, wenn man noch nicht satt war.

Sonntag dann morgens um 6.00 wieder Psalmengesang aus dem Stundenbuch, 11.00 Messe, 12.00 Mittagessen, nachmittags frei. Ich sah mich um.

Abends kamen drei weitere Gäste, alles Männer. Klar, dachte ich, sind ja überhaupt nur Männer hier. Ich wurde leicht depressiv, war jetzt seit vierundzwanzig Stunden im Klosterleben.

Die abendlichen Horen und Laudes, Stundengebete und Lobpreisungen, waren mir wie eine Wiederholung vom Vorabend. Alles auf Lateinisch. Ganze Absätze kannte ich von früher, konnte sie fast noch auswendig.

Nicht auszudenken, wenn ich das hier länger aushalten müsste, dachte ich. Der Montag würde schon auch noch irgendwie rum gehen. Aber alles nette Leute. Nur ich bin eben etwas anders. Ich wollte ja eigentlich meinen Erotikthriller zu Ende schreiben. Irgendwie ist so ein Kloster wohl doch nicht die richtige Umgebung dafür.

Doch. Montag war dann der erste normale Tag. Von 6.00 bis 9.00 nacheinander Morgengebet in der Kapelle, Messe in der Kirche und Frühstück zu sechst, wir fünf Gäste mit unserem Gastpater. Die anderen Mahlzeiten nahmen wir zusammen mit den Mönchen ein, schweigend, wobei einer vorlas.

Von 9.00 bis 12.00 konnte ich dann tatsächlich an meinem Roman arbeiten und Zigarettenpausen in der Sonne auf dem Stuhl draussen unter meinem Fenster machen. Nachmittags hatte ich wieder vier und abends nochmal zwei Stunden Zeit, in Ruhe am Laptop zu arbeiten. Herrlich. Da fahre ich wieder hin. Nicht für drei, sondern für vier Tage.

Meinen Roman "Aleksandra oder Entscheidung in Orange" habe ich komplett überarbeitet und werde ihn jetzt einer Lektorin schicken. Nach Verkündung ihres Urteils gehe ich dann am besten gleich wieder ins Kloster, um für meine literarische Sünde zu büssen und den Frieden meiner Seele wieder zu finden.

"Denn Zukunft hat der Mann des Friedens." (Psalm 37)

Webseite Kloster Ettal

... link (0 Kommentare)   ... comment