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"Ich möchte gerne mal mit einem Priester sprechen", sagte der Mann, dem seine innere Not ins Gesicht geschrieben stand, zwischen Tür und Angel, den Gastpater nach der ersten Abendhore, den Psalmengesängen zur Vesperzeit, abfangend. Es war der Abend vor dem Dreifaltigkeitssonntag.
Der Ratsuchende hatte offensichtlich keinen Termin, musste unter den sechs oder acht Besuchern im Kirchenschiff gesessen haben. Wir verliessen die Kirche durch den Seiteneingang, der zum Clausur-Flügel des Klosters führte, in dem sich mein Zimmer befand.
Ich trat einige Schritte zur Seite und hörte den Pater sagen, er habe gerade einen neuen Gast. Das war ich. Ob er, der offensichtlich in seelischen Nöten Befindliche, noch einen Moment Geduld habe. Dann kam Pater Anselm wieder auf mich zu. Ob er mich nachher treffen könne, um mich einzuweisen. "Ich habe Zeit", sagte ich ihm, "ich werde in meinem Zimmer auf Sie warten oder auf dem Balkon am Ende des Ganges, auf dem man rauchen darf."
Ich hätte gerne gewusst, warum der arme Mann unbedingt einen Priester sprechen wollte. Vielleicht hatte er was verbrochen oder Ärger mit seiner Frau. Den Gastpater muss er sich während der Andacht ausgeguckt und dann beschlossen haben, diesen und keinen anderen anzusprechen, weder den Abt noch irgendeinen der jüngeren Mönche.
Mein Zimmer war Nummer 2. Die 1 hatte Matthias, ein junger Bankmann aus Frankfurt. Wir waren die einzigen Gäste. Er war schon ein paar Tage hier und erklärte mir solche Dinge wie zum Beispiel, dass man beim Essen erst Nachschlag nimmt, wenn der Gastpater es anbietet.
Das wenige, das ich esse, esse ich normalerweise langsam. Hier musste ich mich ganz schön beeilen. Nach bestimmter Zeit wurde abgeräumt. Pech, wenn man noch nicht satt war.
Sonntag dann morgens um 6.00 wieder Psalmengesang aus dem Stundenbuch, 11.00 Messe, 12.00 Mittagessen, nachmittags frei. Ich sah mich um.
Abends kamen drei weitere Gäste, alles Männer. Klar, dachte ich, sind ja überhaupt nur Männer hier. Ich wurde leicht depressiv, war jetzt seit vierundzwanzig Stunden im Klosterleben.
Die abendlichen Horen und Laudes, Stundengebete und Lobpreisungen, waren mir wie eine Wiederholung vom Vorabend. Alles auf Lateinisch. Ganze Absätze kannte ich von früher, konnte sie fast noch auswendig.
Nicht auszudenken, wenn ich das hier länger aushalten müsste, dachte ich. Der Montag würde schon auch noch irgendwie rum gehen. Aber alles nette Leute. Nur ich bin eben etwas anders. Ich wollte ja eigentlich meinen Erotikthriller zu Ende schreiben. Irgendwie ist so ein Kloster wohl doch nicht die richtige Umgebung dafür.
Doch. Montag war dann der erste normale Tag. Von 6.00 bis 9.00 nacheinander Morgengebet in der Kapelle, Messe in der Kirche und Frühstück zu sechst, wir fünf Gäste mit unserem Gastpater. Die anderen Mahlzeiten nahmen wir zusammen mit den Mönchen ein, schweigend, wobei einer vorlas.
Von 9.00 bis 12.00 konnte ich dann tatsächlich an meinem Roman arbeiten und Zigarettenpausen in der Sonne auf dem Stuhl draussen unter meinem Fenster machen. Nachmittags hatte ich wieder vier und abends nochmal zwei Stunden Zeit, in Ruhe am Laptop zu arbeiten. Herrlich. Da fahre ich wieder hin. Nicht für drei, sondern für vier Tage.
Meinen Roman "Aleksandra oder Entscheidung in Orange" habe ich komplett überarbeitet und werde ihn jetzt einer Lektorin schicken. Nach Verkündung ihres Urteils gehe ich dann am besten gleich wieder ins Kloster, um für meine literarische Sünde zu büssen und den Frieden meiner Seele wieder zu finden.
"Denn Zukunft hat der Mann des Friedens." (Psalm 37)
Webseite Kloster Ettal
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